Das war„On the record 2019“!

Auf Einladung des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitischen Journalismus kamen am 28. November rund 200 Gäste in den Konferenzbereich des Signal Iduna Park.

Wie Henrik Müller, Professor für Wirtschaftspolitischen Journalismus und Organisator der Veranstaltung, in seiner Eröffnungsrede betonte, will die „On the Record“-Konferenz für Wirtschaft, Politik und Journalismus, die seit 2014 regelmäßig stattfindet, „einen Beitrag leisten zur Überwindung des wechselseitigen Unverständnisses, das unsere Gesellschaft zunehmend spaltet.“ 

Sie wolle einen Rahmen für den Austausch zwischen Vertretern der Wirtschaft, der Politik, den Medien und der Wissenschaft bieten. „Wer die Perspektive der anderen Seite in einem Diskurs kennenlernt, wird eher bereit sein, sich argumentativ damit auseinanderzusetzen, anstatt draufloszubrüllen oder dem nächsten Shitstorm hinterherzulaufen“, so Müller. 

Auch Prof. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund, betonte in ihrem Grußwort, wie wichtig es sei, sich gegenseitig auszutauschen, um sich besser zu verstehen. Die Wissenschaft leiste dabei einen wichtigen Beitrag zur Objektivität und einer neutralen Sicht auf die Wirklichkeit. 

Zerbricht die Eurozone in der nächsten Krise?

In den sechs Gesprächsrunden, die alle von Studierenden des Wirtschaftspolitischen Journalismus moderiert wurden, standen der Streit um die Zukunft unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sowie das Ringen um die Zukunft des Euro im Vordergrund.  

Auf die Frage „Zerbricht die Eurozone in der nächsten Krise?“ gab es von Klaus Regling, Managing Director des Euro-Rettungsschirms ESM, ein ganz klares Nein. Der Abschwung in Deutschland sei undramatisch und Europa auf einem guten Weg. Dafür habe der ESM aktuell 300 Milliarden Euro an EU-Länder verliehen, die sonst auf dem Kapitalmarkt keinen Kredit bekommen bzw. sonst nur zu sehr teuren Konditionen. Manches wäre einfacher, wenn es die „Vereinigten Staaten von Europa“ gebe, meinte Regling, trotzdem sei er der Ansicht, dass die Währungsunion auch so gut funktioniere. „Der Euro hat für Deutschland viele Vorteile“, gab er zu bedenken, „der Binnenmarkt wird gestärkt und es gibt weniger Währungskrisen. Das wird in der Öffentlichkeit oft vergessen.“

Hat der Wirtschaftsjournalismus ein Frauenproblem?

Susanne Amann, Managing Editor bei „Der Spiegel“ und Carina Kontio, Redakteurin beim Handelsblatt, antworteten auf die Frage der Moderatorin Nora Wanzke, ob derWirtschaftschaftsjournalismus ein Frauenproblem habe, auch mit einem Nein – das Problem seien vielmehr „omnipräsente Männer in der Wirtschaft“. Carina Kontio berichtete, was das Handelsblatt unternimmt, um mehr Frauen in die Wirtschaftsberichterstattung zu bringen: Ein Chatbot checke stündlich den Frauenanteil in Fotos und die Redakteurinnen und Redakteure pflegten eine gemeinsame Liste mit Expertinnen zu jedem Thema.

Nur ca. 20 Prozent der Konsumenten, die Wirtschaftsthemen rezipieren, sind Frauen – und das müsse auch unbedingt „unter ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert werden“, betonte Susanne Amman, da es „schlicht Wahnsinn“ sei, nicht an Frauen als Zielgruppe zu denken. 

„Woran scheitert die Reform der Eurozone? Perspektivwechsel zwischen Brüssel und Berlin“ war das Thema der Gesprächsrunde mit Jakob von Weizsäcker, Chefvolkswirt des Bundesfinanzministeriums und Ex-Europaabgeordneter, und Daniel Gros, Direktor des Centre for European Policy Studies. „Es kann sein, dass wir ein neues Normal haben. Es kann sein, dass die Zinsen einfach normal niedriger geworden sind. Die Zinsen werden nicht künstlich runtergedrückt“, betonte Jakob von Weizsäcker. Auch Daniel Gros sieht derzeit keine Gefahren für eine Krise, man müsse aber aufpassen, wenn die Zeiten der Negativzinsen enden. 

Ist der Kapitalismus noch zu retten?

Thieß Petersen, Senior Advisor Bertelsmann Stiftung, bereite mit „Facts & Figures“ auf das Streitgespräch zwischen Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos, und Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des BDI zum Thema „Ist der Kapitalismus noch zu retten?“ vor. „Wir haben in Deutschland das politische Streiten verlernt“, sagt Kevin Kühnert. Man müsse nicht zu dem gleichen Schluss kommen wie er, aber Debatten seien wichtig, um zu hinterfragen, ob das jetzige System des Kapitalismus wirklich alternativlos sei.

Joachim Lang vom BDI betonte, dass die soziale Marktwirtschaft ein erfolgreiches Modell sei. Aktuellen Herausforderungen sollte mit den Stärken des Systems begegnet werden. Das sei ein Transformationsprozess, der gemeinsam gestaltet werden müsse und die Industrie sei dabei Teil der Lösung. Er bekräftigte, dass der Staat „sich raushalten“ sollte – auch dann, wenn es zu Problemen im System komme. 

Mit „On the record“ hat der Lehrstuhl Wirtschaftspolitischer Journalismus zweifellos die positive Wahrnehmung Dortmunds gestärkt, so der Tenor am Ende der Veranstaltung. Morgens hatten Prof. Dr. Andreas Liening, Vorstand des Centrums für Entrepreneurship & Transfer der TU Dortmund, Jörg Thadeusz, Journalist u.a. beim WDR, und Thomas Westphal, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Dortmund noch zum Thema „Keine Lust mehr auf schlechte Nachrichten – Dortmund in den Medien“ und das schlechte Image Dortmunds diskutiert. Die Stadt dürfe nicht auf die Kohle und Stahl-Vergangenheit reduziert werden – Dortmund habe den Strukturwandel gemeistert und sei heute erfolgreicher Innovationsstandort mit Weltmarktführern und bedeutendem IT-Sektor.

Die „On the record”-Konferenz wurde erstmals im Livestream auf Facebook (@journalistikdortmund), Twitter (@IJ_Online) und der Website des Instituts für Journalistik (IJ) mit Unterstützung der Auszubildenden zum Mediengestalter Bild und Ton der TU Dortmund/NRWision übertragen. Auf Instagram (@ij_tu_dortmund) findet sich eine Hintergrund-Story zur Konferenz. 

Von Tina Bettels-Schwabbauer

Hier sehen Sie die archivierten Livestreams des Vormittags und des Nachmittags.